Kapitel  Fünf Die Vertuschung

Wer ist Sudar Singh?

Paul Twitchell beruft sich auf zwei Lehrer, die ihm den Weg von Eckankar gelehrt haben. Der erste ist Satguru Sudar Singh, der laut Twitchell seit Ende der 30er oder 40er Jahre in Allahabad wohnte. (Twitchell scheint sich nicht sicher zu sein). [1]

Der zweite ist Rebazar Tarzs, ein tibetanischer Mönch, der angeblich über 500 Jahre alt sein soll. Die wahre Existenz von Rebazar kann nicht nachgeprüft werden, denn laut Paul Twitchell kann man ihn nur mittels "Seelenreisen" besuchen.

Wie früher schon erwähnt, behauptete Twitchell, dass er Sudar Singh das erste Mal während seiner Jugend in Paris getroffen habe. Später behauptete er, dass er und seine Schwester Sudar Singhs Ashram besucht und dort über ein Jahr lang gelebt hätten. Obwohl Twitchell ausführlich über seine Erlebnisse mit dem Adepten berichtet, gibt er seltsamerweise keine Daten an, mit einer Ausnahme: in "Eckankar: The Key To Secret Worlds". [2]


[1] Im Buch "In My Soul I Am Free" behauptet Twitchell, dass Sudar Singh das hohe Alter von 105 Jahren erreichte hatte, während er in einem anderen Buch behauptet, dass der Guru weit über 90 Jahre alt war, als er starb. Interessanterweise schreibt Twitchell in "Eckankar: The Key to Secret Worlds", dass Sudar Singh ein sehr junger Mann war, als er Rebazar Tarzs 1885 in Agra, Indien traf.

Falls wir glauben, dass Sudar Singh entweder Ende der 30er oder 40er Jahre im Alter von 105 Jahren starb, so wäre der Guru im Jahre 1885 bereits über 40 Jahre alt gewesen. Also nicht mehr "sehr jung". Weitere Zweifel an der wahren Existenz von Sudar Singh kommen auf, wenn wir erfahren, dass Twitchells Aufzeichnungen über Sudar Singh auf der Lebensgeschichte von Baba Jaimal Singh, dem Gründer des Radha Soami Satsang basiert.

Obwohl dies nur eine Vermutung ist, scheint Twitchell den Namen "Sudar" dem längeren Namen "Sudarshan" entlehnt zu haben. Sudarshan war ein Neffe von Shiv Dayal Singh, dem Begründer des Radhasoami-Weges. Der selbe "Sudarshan Singh" wohnte auch eine Zeit lang in Allahabad. Fassen wir zusammen: Twitchell hat den Namen "Sudar Singh" mit hoher Wahrscheinlichkeit dem Buch von Julian P. Johnson "With A Great Master in India" entnommen (es enthält einen Abschnitt über Sudarshan Singh) und ihn als Decknamen für mehrere verschiedene Meister - hauptsächlich für Kirpal Singh - benutzt.


[2] Twitchell schreibt:

 ... ich fand heraus, dass Sudar Singh, der große Mystiker von Allahabad, wirklich existierte, als ich ihn 1938 mit meiner Stiefschwester besuchte.

Dies war wohl einer der Gründe, warum Twitchell sein Geburtsdatum auf 1922 verlegte. Nebenbei sei bemerkt, dass Sudarshan Singh, der Neffe von Shiv Dayal Singh, 1936 in Soamibagh außerhalb der Stadt Agra starb.

Nach Steigers Biographie (in der er auch kein genaues Datum angibt), müsste Twitchell Ende der 30er, Anfang der 40er Jahre Indien besucht haben. Laut Twitchells tatsächlichem Geburtsdatum (1908-1912) müsste er Ende der 20er Jahre Indien besucht haben. In beiden Fällen gibt es jedoch keinen Nachweis, weder in Form von Unterlagen noch Berichten, die Twitchells Indienreisen stützen könnten. Die Zweifelhaftigkeit von Twitchells Reisen wird dadurch bestärkt, dass sein Guru Sudar Singh das allererste Mal erst in der Ausgabe des Orion Mazines vom Januar 1964 erwähnt wird. Zuvor hatte sich Twitchell kein einziges Mal auf Sudar Singh bezogen. [3]

Da Twitchells Reisen nach Indien ziemlich zweifelhaft sind, werden auch seine Berichte über Sudar Singh (den er angeblich zur selben Zeit getroffen haben soll) äußerst fragwürdig. Es gibt keinen Hinweis in Twitchells tatsächlichem Leben oder seinen Schriften, dass Sudar Singh eine real existierende Person ist. Die wahre Identität Sudar Singhs ist eng mit Twitchells Bemühungen verknüpft, seine früheren Verbindungen zu bestimmten früheren Lehrmeistern zu vertuschen. Die Vertuschung begann im Jahre 1964 und wird bis heute unter dem jetzigen Lebenden Eck-Meister Harold Klemp fortgesetzt.

Heute finden Premananda oder Kirpal Singh in Eckankars reicher Literatur keine Erwähnung. Die meisten Eckisten haben noch nie jemals etwas von diesen beiden Gurus gehört. Einfach deshalb, weil Paul Twitchell zwischen 1964 und 1971 in einem langsamen aber stetigen Prozess diese beiden Namen, die in all seinen ursprünglichen Schriften (Der Zahn des Tigers, Die Flöte Gottes u. a.) entfernt hat. Er ersetzte die Namen seiner tatsächlichen Lehrmeister Swami Premananda und Kirpal Singh durch die Namen "Sudar Singh" und "Rebazar Tarzs". Schließlich stritt Twitchell 1971 ab, von Kirpal Singh je initiiert worden zu sein, und das, obwohl er ganze acht Jahre bei ihm in die Lehre gegangen war.

Twitchell führte die Vertuschung nach dem "Zahn des Tigers"-Zwischenfall 1963 fort (Kirpal hatte das Manuskript abgelehnt). Während der Gründungsvorbereitungen für Eckankar kam Twitchell auf die Idee, eine neue Mythologie zu erschaffen - eine Mythologie mit einer neuen eigenen Biographie. Twitchells Biographie enthielt neue Lehrmeister, neue Reisen und neue Einsichten. Twitchell konnte unmöglich alle früheren Schriften, Verbindungen und seine familiäre Herkunft auslöschen. Die Überreste der Aufzeichnungen, in denen wir den "alten" Paul Twitchell finden, wären zu vielzählig und zu weit verstreut gewesen, um sie vollkommen vernichten zu können.


[3] In keinen von Twitchells Schriften vor 1964 wird der Name Sudar Singh erwähnt. Doch bezieht sich Twitchell davor sehr wohl auf Kirpal Singh, Swami Premananda und L. Ron Hubbard.