Kapitel  Acht Die Manifestation Rebazar Tarzs'

Die Manifestation von Rebazar Tarzs

Dokumentierte Nachforschungen haben nachgewiesen, dass Paul Twitchell die Figur Rebazar Tarzs frei erfunden hat. Die Lebensgeschichte dieses Mönches basiert auf Biographien über Kabir, Shiv Dayal Singh, Sawan Singh, Kirpal Singh und mehrerer anderer real existierender Gurus. Diese Erkenntnisse sind jedoch nur wenigen Mitgliedern von Eckankar bekannt. Viele, die sich dieser Tatsache nicht bewusst sind (und angeblich das Seelenreisen beherrschen) behaupten, außergewöhnliche Visionen über den Tibetaner zu haben, und können im Detail sein Aussehen und seine besondere Bekleidung beschreiben.

So stellt sich die wichtige Frage bezüglich Eckankars Anspruch auf Glaubwürdigkeit. Kann eine Religion, die nachweislich gesetzwidrig ist, dennoch authentisch sein und einzigartige spirituelle Erfahrungen ermöglichen? Überraschenderweise lautet die Anwort: ja und nein.

a) Ja: Weil es theoretisch nachvollziehbar ist, dass ein ernsthaft Glaubender ein authentisches Erlebnis mit einem erfundenen Heiligen auf den höheren Bewusstseinsebenen jenseits des Wachzustandes haben kann. [1] Jedoch muss man beachten, dass die Authentizität solch einer Begegnung nichts mit dem bildlichen Inhalt an sich zu tun hat. Es ist eher die Bewusstseinsstruktur desjenigen, die dem Erlebnis erhebliche Kraft verleiht. Ob ein Guru nun eine freie Erfindung oder eine historische Persönlichkeit ist, ist in Bezug auf Authentizität von geringer Bedeutung. Bezüglich der endgültigen Legitimität der Begegnung spielt das jedoch eine große Rolle. [2] Todesähnliche Erfahrungen, die reich an kulturabhängigen Visionen sind, zeigen uns, dass deren Inhalt auf unbewussten Projektionen basieren kann (Christen sehen Jesus, nicht Buddha; Sikhs sehen Guru Nanak und nicht Mohammed usw.), während der Kontext solcher transpersonalen Erfahrungen eher aus dem Bereich des Uberbewusstseins kommt und nicht kulturell begrenzt ist.

Deshalb kann ein Mitglied von Eckankar ein höheren Bewusstseinszustand erreichen und eine Vision erfahren, von der es glaubt, dass es sich um Rebazar Tarzs handelt. Aber es ist nicht der tibetanische Mönch, der diese Erfahrung herbeiführt, sondern die innere Fähigkeit des praktizierenden Gläubigen, diese Bilder aufzubauen. Deshalb ist der wichtige Punkt bezüglich der Realität religiöser Visionen nicht deren Inhalt (einfach gesagt, ist es von geringer Bedeutung, ob man die Jungfrau Maria, Buddha, Krishna oder Fubbi Quantz wahrnimmt) sondern der religiöse Zusammenhang. [3]

b) Nein: Da Eckankar gesetzwidrig ist, besitzt es eine innere Tendenz, seine spirituellen Ansprüche mehr oder weniger glaubwürdig beweisen zu müssen. Zum Beispiel sind viele so genannter religiöser Visionen mit Rebazar Tarzs nichts als lebhafte Bildvorstellungen, wie sie normalerweise im Traum vorkommen. Wenn eine innere Vorstellung eine heilige oder verehrte Persönlichkeit darstellt, ist noch lange nicht gesagt, dass es sich dabei um eine göttliche Manifestation handelt.

Man muss unterscheiden zwischen unterbewussten (während und vor den Traumphasen) und überbewussten (tranzendenten) Manifestationen. Falls man das nicht tut - wie das bei Eckankar häufig der Fall ist, wo die meisten Träume zu spirituellen Erlebnissen erhoben werden - kommt es zu Verwechslungen zwischen kindlichen Vorstellungen und wahren spirituellen Erscheinungen. [4]



Quellen:

[1] Nähere Information darüber siehe "The Hierarchical Structure of Religious Visions" (Die hierarchische Struktur religiöser Visionen), Journal of Transpersonal Psychology (Band 15, Nr. 1); "The Himalayan Connection: U. F. O.'s and the Chandian Effect" (Die Himalaya Verbindung: UFOs und der chandische Effekt), Journal of Humanistic Psychology (Herbst 1984); und "The Unknowing Sage: The Life and Work of Baba Faqir Chand" (Der unbewusste Weise: Leben und Werk des Baba Faqir Chand) (erscheint demnächst).

[2] Ken Wilber, A Sociable God, (Ein geselliger Gott), op. cit. Seiten 61-64.

[3] Siehe "The Hierarchical Structure of Religious Visions."

[4] Ken Wilber hat einen großartigen Artikel über "Prä-/Trans-Täuschung" in Revision geschrieben (Band 3, Nr. 2, 1980). Siehe auch Wilbers wichtige Kritik über Hermeneutik in "A Sociable God", op. cit., Seiten 12-16.